Im Laufe meines nun schon recht langen Anglerlebens habe ich viele Fische gefangen und mich immer wieder über das Verhältnis Fischgröße vs. Ködergröße gewundert.
Ich erinnere mich an große Regenbogenforellen, die winzige 18er Nymphen genommen haben – und an Bachforellen von kaum 20 cm, die sich mit der Entschlossenheit eines Straßenräubers auf 8 cm große Streamer gestürzt haben. Auch beim Spinnfischen dasselbe Spiel: 60er Zander, die schuhsohlengroße Shads von 28 cm einfach weginhalieren – oder Meterhechte, die sich lieber an 12 cm lange Gummisnacks halten.



Doch was ich letzte Woche erlebte, toppt alles Bisherige!
Beim Streamern mit einem Muddler Minnow – nicht groß, vielleicht 4 cm, aber mit breitem Rehhaarkopf, also durchaus respektabel – spürte ich plötzlich einen leichten Widerstand. Zuerst dachte ich an ein herbstliches Blatt, das sich verfangen hatte. Beim Aufziehen des D-Loops zum nächsten Rollwurf entdeckte ich tatsächlich ein kleines Anhängsel am weißen Streamer.
Bevor ich erneut auswerfen konnte, spürte ich jedoch eine feine Vibration in der Rute. Ich brach den Wurf ab, zog die Schnur und Fliege zu mir heran – und da war er: das sagenumwobene, in zahllosen Fischerlegenden beschriebene Ungetüm, das fast den Ruf von „dem, dessen Name nicht genannt werden darf“ übertrifft: der berüchtigte RAUBSCHNEIDER!

Wie es dieser kleine Max überhaupt geschafft hat, den Hakenbogen weit genug ins Maul zu bekommen, ist mir bis heute ein Rätsel. Vielleicht kann der Raubschneider ja – ähnlich wie gewisse Schlangen – seinen Unterkiefer ausklinken, um seine Beute besser zu packen.
Über den „Raptor schneiderius“ findet man leider weder im Internet noch bei diversen KIs verlässliche Informationen. Lediglich im Dark Net habe ich diesen mehr oder weniger wissenschaftlichen und glaubhaften Steckbrief gefunden:
Raptor schneiderius
• Ordnung: Piscicida Mystica
• Familie: Silenii Furculatores
• Verbreitung: ausschließlich in Flüssen, deren Namen man nur Eingeweihten verrät.
• Größe: „Unterschätzt“ – meistens kleiner als der verwendete Köder.
• Nahrung: Überdimensionale Streamer, alles mit Rehhaarkopf, gelegentlich auch Angelhumor.
• Besonderheit: Kann angeblich seinen Unterkiefer aushängen, um Köder aufzunehmen, die eigentlich nicht ins Maul passen.
• Verhalten: Tritt meist dann auf, wenn der Angler bereits ans Heimgehen denkt oder den Faden verliert.
• Gefährlichkeit: gering – außer für den Blutdruck des Anglers.
• Legende: Manche Berichte behaupten, er sei in der Lage, die Angelschnur unauffällig selbst zu kappen, wenn er nicht gefangen werden möchte.
Immerhin hatte ich aber die Ehre, diesem seltenen Wesen einmal im Leben zu begegnen – und das, ohne selbst dafür mit Haut und Haaren bezahlen zu müssen.
JF // 2025-09