Overlined, Underlined oder Spot On?

Posted on 2020/08/20Kommentare deaktiviert für Overlined, Underlined oder Spot On?

Die AFFTA Klassifizierung, früher AFTMA genannt, ist eine Leinenklassifizierung, die uns als Fliegenfischer hilft Leinen und Ruten aufeinander abzustimmen und entsprechende Ködergewichte „transportieren“ zu können. So siedeln sich leichte Ruten für kleine Fliegen in den Klassen 1 – 3 an, die „Durchschnitts-Forellenrute“ liegt um die Klasse 5, in Klasse 6 – 7 werden schon mittelgroße Streamer auf größere Räuber, wie Bach- oder Meerforellen zum Ziel gebracht, ab Klasse 8 – 10 befinden wir uns im Bereich der großen Hecht- und Huchenstreamer und ab Klasse 11 geht es in die schwere Salzwasserfischerei.

Praktisch ist diese Übereinkunft zwischen Schnur- und Rutenherstellern schon, so dass eine Schnur der Klasse 5 auf einer Rute der Klasse 5 beim Werfen genügend Ladung/Biegung erzeugt, um komfortabel geworfen werden zu können.

Hier die Tabelle der Standardisierung der AFFTA, wobei diese für so genannte Double Taper Schnüre (DT) gedacht ist. Wie die verschiedenen Schnurhersteller diese Klassifizierung auf Weight Forward Schnüre (WF) umsetzten ist eine andere Geschichte und das werde ich in einem anderen Artikel beschreiben.

Dies ist die AFFTA-Tabelle für Einhandschnüre:

AFFTA

So wirft sich eine Rute der Klasse 5 komfortabel mit einer DT-Schnur, die auf den ersten 30 Fuß, das sind genau 9,144 Meter, ein Gewicht von 9,10 Gramm aufweist. Wobei die Toleranz von 8,70 – 9,50 Gramm reicht. Diese „Toleranz“ sollte uns zur Inspiration dienen, denn diese Klassifizierung ist nur eine Empfehlung, kein Dogma.

Jede Rute hat Ihrerseits ein so genanntes „grain window“, also einen „Schnurgewichtsbereich“, den sie zu transportieren in der Lage ist. Und interessant wird es wenn man damit experimentiert!

Man kann zum Beispiel eine Rute der Klasse 5 von der Aktion her „schneller“ gestalten, indem man darauf eine Schnur der Klasse 4 wirft, sie also  „underlined“. Gleiches kann man in die andere Richtung machen, indem man auf der 5er Rute eine 6er Schnur verwendet, dann lädt sie tiefer und ist von der Aktion etwas „langsamer“, weil sie mehr Masse bewegen muss.

Und warum das Ganze?

Dafür gibt es viele Gründe. Bei Einsteigern zum Beispiel, die beim anfänglichen Werfen die Rute oft nur als „Hebel“ verwenden, stellt sich bei einem „overlined setup“ viel schneller die Sensation der Ladung ein. Sie spüren viel schneller, dass die Fliegenrute nicht nur ein langer Stock ist, sondern auch ein Federelement, welches dazu beiträgt Schnurgeschwindigkeit zu erzeugen.

Aber auch bei uns erfahrenen Werfern hat das Spielen mit dem „grain window“ Vorteile. An einem kleineren, verwachsenen Gewässer, bei dem fast nur Rollwurftechniken zum Einsatz kommen, kann eine Kombination wie 5er Rute/6er Schnur, also quasi „+1“, von großem Vorteil sein, da man bei den Rollwürfen ein „Mehr“ an Masse im D-Loop unter der Rutenspitze hat, welches es uns ermöglicht, die verschiedenen Techniken platzbeengter auszuführen.

Oder bei der Fischerei an großen Seen, bei dem es darum geht immer auf große Distanz zu werfen und man sehr viel Schnur in der Luft halten muss, bevor die Fliege präsentiert wird kann ein „underlinen“ sehr von Vorteil sein, indem man einfach eine Schnurklasse leichter, also -1 wirft. Durch das Weniger an Ladung, was dann zwar auch ein Mehr an Einsatz der Schnurhand bedingt, wird die Rute nicht so stark geladen. Sie wirkt dadurch „schneller“, was in der Entladung auch weniger Counterflex bedeutet und so die untere Schnur des Loops nicht so weit aufdrückt.

Dies aber nur als Anregung.

Anwendungen gibt es viele. So ist es durchaus sinnvoll, sich von einer Schnur, dessen Profil und Coating als angenehm empfunden wird, auch mehrere Klassen anzuschaffen, also von Schnur XY für eine Rute der Klasse 5 die Schnüre in Klasse 4, 5 und 6, also als Spielbein für verschiedene, fischereiliche Situationen. Dies erachte ich ohnehin als weitaus sinnvoller, als diese „eine Rute – eine Schnur“ Taktik.

Auch entdeckt man dann sein Equipment neu, denn vielleicht ist dann die 5er – Rute, die einem mit der 5er-Schnur immer schon einen Tick zu langsam war , mit einer etwas leichteren Schnur genau passend.

JF