Gespließte Ruten haben mich eigentlich nie wirklich interessiert. Zwar ist es eine Handwerkskunst höchster Güte, aber ich empfand die Ruten oft als zu schwer, kopflastig und teilweise auch zu langsam in der Aktion. Bis mir der befreundete Rutenbauer Gerd-Peter Wieditz die Möglichkeit gab, verschiedene Gespließte zu fischen. Tausend Dank dafür!
Unter den Ruten befanden sich auch leichtere Klassen, unter anderem eine #4 in 6,6 Fuß, also gute 2 Meter. Eine federleichte Grazie, elegant, tief ladend, aber mit schneller Rückstellung und mit Bamboo – Herz, das insbesondere bei Wasserwürfen (Rolls/Switches) mich immer wieder in Erstaunen versetzt und ohne Probleme modernen Graphitruten die schöne Stirn bietet. Wenn durch einen D-Loop geladen, stellt die Masse des Bambus zurück, steht sauber und man denkt „Wow, wo kommt denn diese Energie her?“ Ohne jetzt tiefer in die Rutenphysik einsteigen zu wollen, möchte ich nur sagen: Genuss pur! Kombiniert mit einer modernen Weight Forward – die Puristen mögen entschuldigen – hat man ein ideales Setup für kleinere Habitate und dünne Vorfächer. So auch diesen Sommer: kleines, verblocktes Gewässer mit schnellen Zügen. Ein Fall für den „Grashalm“, denn Bambus gehört zu der Familie der Gräser. Erfolgreich, wie man sieht – und lecker!!!
Ich habe mit dieser Kombi aber auch schon dicke Forellen in der Lenne verführt – kein Problem.
Einzig das Menden der Schnur und die Reduzierung von loser Leine ist mit längeren Ruten etwas einfacher. Aber durch „vorausschauendes“ Fischen in diesen größeren Fließgewässern ist dies auch mit 2 Metern Rutenlänge gut zu kontrollieren: immer ein Auge auf der Schnur, ein Auge auf der Fliege, ein Auge auf der schönen Landschaft und das andere Auge auf der potentiellen Zuschauerin am Ufer!
Die Verarbeitung dieser Ruten ist, wenn man einmal den ganzen Herstellungsprozess gesehen hat, unglaublich! Man fischt mit einem kleinen Kunstwerk.
Ich kann Dir nur empfehlen einmal eine Gespließte zu werfen oder zu fischen, wenn Du die Möglichkeit dazu bekommst. Einfach jenseits von Hitech-Materialien, Performancehype und „Rutenkommerz“ die Schnur zu führen und ein Stück Natur in der Hand zu halten, welches mit meisterlichem Können, Präzision und Hingabe zu einer Fliegenrute geformt wurde.
Mittlerweile habe ich auch eine passende Rolle dazu… eine alte Hardy Marquis. Und eine Seidenschnur wird folgen …und ein schöner Weidenkorb. Ich werde mir die bewathosten Menschen mit den voll bepackten Fliegenwesten anschauen, die wie geschmückte Tannenbäume uniform im Wasser stehen. Mit Ihren in Großserien hergestellten Graphitstangen in stummem Ballett wedelnd. Und ich werde dabei denken:
„Kohlefaserruten kommen, Kohlefaserruten gehen. Aber Bambus bleibt.“
JF